Ein Zeitzeuge gibt uns zu denken

Fotos: Stephan Hager

Am Vormittag des 10. April 2024 sprach bei den Schülerinnen und Schülern der neunten Klassen ein besonderer Gast. René Kaufmann aus Langenpreising erzählte aus seiner bewegten Familiengeschichte.

Herr Kaufmann wurde im Jahr 1937 als Kind einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters in Belgien geboren. Die Tatsache einer „Mischehe“ hatte die Eltern bereits 1934 dazu veranlasst, aus Deutschland zu fliehen. Er selbst verbrachte seine Kindheit und Jugend in Belgien, weshalb er bis heute zu Klassentreffen dorthin fährt, Flämisch und Französisch spricht.

Besonders beeindruckten uns die Erzählungen seiner Erlebnisse aus der Kindheit zur Zeit des Nationalsozialismus: bewegend beschrieb er einen Übergriff von Soldaten auf die drei Geschwister und eine Inhaftierung der jüdischen Kinder.

Wir bekamen das Bild einer starken Familie vor Augen geführt, die viel Schlimmes erlebt hat, z.B. dass der Vater sich in den Ardennen verstecken musste und der Mutter, weil sie sein Versteck nicht kannte, die Zähne ausgeschlagen wurden.

Auch die Entführung seiner Tante, die vor seinen Augen vom Fahrrad gezogen und verschleppt wurde und die dann – wie fast der gesamte jüdische Teil der Familie - nach Auschwitz deportiert und getötet wurde, steht dem Senioren bis heute lebhaft vor Augen.

Die Befreiung durch die Amerikaner 1944 beschrieb er als überaus freudig – die Kinder bekamen riesige Bonbongläser!

Herr Kaufmann kehrte nach Wiedererlangung der deutschen Staatsbürgerschaft 1957 wieder nach Deutschland zurück und wurde ironischerweise direkt zur Bundeswehr einberufen. Erschreckt hat uns seine Beschreibung, dass damals offenbar unter seinen Vorgesetzten Menschen waren, die noch immer dem NS-Regime nahestanden. Auch die Tatsache, dass über das Geschehene so gut wie nicht gesprochen wurde, empfanden wir Zuhörer als bedrückend.

Insgesamt hat uns Herr Kaufmanns Besuch in vielfacher Hinsicht herausgefordert und bereichert.

Deshalb kommen abschließend ein paar unserer Schülerinnen und Schüler selbst zu Wort:

Ich kann mir schwer vorstellen, wie es damals für die Menschen war und wie sie sich gefühlt haben, da wir noch nie was Schlimmes erlebt haben und gerade sehr friedlich leben. Aber als Herr Kaufmann unsere Schule besucht hat und über sich und seine Familie erzählt hat, brachten mich seine Erlebnisse zum Nachdenken.

Mir hat gefallen, wie er über seine Gefühle geredet hat und auch während des Erzählens versucht hat, alles bildlich zu beschreiben, damit wir uns vorstellen können, was er noch in Erinnerung hat.

Meiner Meinung nach war es sehr interessant, dass sich Herr Kaufmann noch so detailgetreue an die Dinge erinnern konnte. Besonders herausragend war sein Mut, über diese Ereignisse, welche zum Teil den Tod engster Familienmitglieder beinhalten zu berichten.

Aus dem Vortrag von Herrn Kaufmann habe ich besonders mitgenommen, was sein Vater ihm in dieser Zeit beigebracht hat: „Man muss nicht vor jeder Person Respekt haben, aber man sollte jeden Menschen respektieren.“ Diese Lebensweisheit finde ich sehr wichtig, da man sie nicht nur auf die damalige Zeit beschränken kann, sondern sie auch heute und generell immer wichtig ist.

Ich fand es bemerkenswert, dass Herr Kaufmann trotz seines Alters und seiner Beeinträchtigungen zu uns an die Schule gekommen ist und uns berichtete.

Dieser Ansicht haben sich in den Schülerrückmeldungen alle angeschlossen!

Wir danken René Kaufmann für seine Zeit und das großartige Angebot, uns durch seine Lebensgeschichte zu bereichern!